Der Pfaffenwinkel

Pfaffenwinkel, so nennt man die Gegend zwischen Isar und Lech in Oberbayern, südlich des Starnberger- und Ammersees, weil sich dort viele schöne Klöster befinden bzw. befanden. Wir lernen auf dieser Reise vier Kirchen und drei Königsschlösser kennen


Ettal  Rottenbuch  Wieskirche  Steingaden  Hohenschwangau  Neuschwanstein  Linderhof

Klosterbasilika Ettal
Ettal ist ein Benediktinerkloster, das im Jahre 1330 vom bayerischen Herzog und deutschen Kaiser Ludwig IV. gegründet wurde. Die erste Klosterkirche entstand zwischen 1330 und 1370 als zwölfeckiger Zentralbau. 1710 bis 1724 wurde unter dem Baumeister Henrico Zuccali (kurfürstlicher Hofbaumeister in München) mit der Barockisierung begonnen, aber wegen Geldmangel nicht weitergeführt. 1744 brannte die Kirche dann ab und wurde 1744 bis 1762 von Baumeister Joseph Schmuzer (1683 - 1752) aus der Wessobrunner Schule , der zuvor und zeitgleich auch die Klosterkirche Rottenbuch errichtete (siehe nächstes Kapitel), als Barockbau wiederaufgebaut; die Stuckdekorationen wurden von Johann Georg Übelher und Franz Xaver Schmuzer (dem Sohn des Baumeisters) ausgeführt, die Fresken schufen Johann Jakob Zeiller und Martin Knoller, beide aus Tirol. Auch diesmal stockte der Bau (1762), dann kam die Aufhebung des Klosters 1803 dazwischen und erst 1853 wurde der Nordturm, der Südturm und die Fassade gar erst 1907 fertiggestellt. Die Ettaler Kirche ist in ihrer Form ungewöhnlich und gehört in ihrer Ausgestaltung zu den bedeutendsten Kirchenbauten des süddeutschen Barocks.
Die mächtige Kuppel ist 71 m hoch; die Türme wurden wie die Fassade erst später (1853 bzw. 1907) vollendetDer Innenraum mit seiner prächtigen Barockausstattung ist zwölfeckig, wirkt aber durch die den Ecken vorgesetzten Pilaster rund
Das Altarblatt am Hochaltar stellt die Himmelfahrt Marias dar und stammt von M. KnollerDie Ettaler Madonna aus weißem Marmor; sie wurde vom Klostergründer Ludwig IV. 1330 von seiner Italienreise mitgebracht
Das Deckengemälde des Hochaltarrraums von M. Knoller nimmt das Thema des Altarbildes auf und stellt den offenen Himmel, bereit zur Aufnahme Marias, darDas Deckengemälde der Hauptkuppel stellt die benediktinische Gemeinschaft in ihrer Geschichte dar (431 Gestalten!); geschaffen wurde es von J.J. Zeiller

Augustinerchorherrenkirche Rottenbuch
Das Augustinerchorherrenstift Rottenbuch wurde im 10. Jh. gegründet. Die erste Kirche im romanischen Stil entstand im 12. Jh., im 15. Jh. wurde sie gotisiert; im 18. Jh. dann in ihrer heutigen barocken Form völlig neu gestaltet. Baubeginn war 1737, 1748 der Bau fertiggestellt und 1752 auch die Innenausstattung vollendet. Baumeister war Joseph Schmuzer (1683-1752) aus der Wessobrunner Schule, die Stukkaturen schuf dessen Sohn Franz Xaver Schmuzer nach Entwürfen seines Vaters; die Fresken stammen von Matthäus Günther (1705-1788) und die Altäre gestaltete Franz Xaver Schmädl (1705-1777) aus Weilheim
Von der weitläufigen Klosteranlage (Gesamtplan Joseph Schmuzer) ist nur noch ein Teil, darunter auch die Klosterkirche, erhalten geblieben
Eine Fülle von Formen und Farben, von Altären und Bildern beinhaltet der barocke Innenraum
Das Hochaltarbild stellt die Geburt Marias als Gabe Gottes an ihre Eltern Joachim und Anna dar
Der Orgelprospekt stammt wie die Altäre von Franz Xaver Schmädl

Die Wieskirche
Die Wallfahrtskirche "zum gegeißelten Heiland auf der Wies", wie sie offiziell heißt, verdankt ihre Entstehung dem sog. "Tränenwunder", wonach bei der Holzfigur eines gegeißelten Heilands auf dem Bauernhof "auf der Wies" im Jahre 1738 Tränen entdeckt worden sein sollen, was rasch auch zum Entstehen einer Wallfahrt führte; die kleine Wallfahrtskapelle wurde schnell zu klein, so dass die benachbarten Prämonstratenser aus Steingaden den Bau einer größeren Kirche in Auftrag gaben. Die Kirche wurde in relativ kurzer Zeit (1745 - 1754) von Baumeister Dominikus Zimmermann, einem Schüler des uns schon bekannten Wessobrunner Baumeisters Joseph Schmuzer (Rottenbuch, Ettal) im Rokokostil errichtet. Kunsthistoriker nennen die Wieskirche "die schönste Rokokokirche der Welt", einer Einschätzung, der sie auch ihre Bekanntheit verdankt.
Von außen eher unscheinbar, entfaltet die Wieskirche im Innern die lebensforhe Pracht des Rokoko in Vollendung
Das Altarbild des Hochaltars (links) zeigt Jesus als Kind inmitten seiner Familie; darunter in einer Nische das Gnadenbild; die Holzfigur (rechts) ist der Ursprung der Wallfahrt und damit auch der Wieskirche
Blick nach hinten auf Eingang und Orgelempore (links); das große Deckenfresko (rechts) versinnbildlicht das Weltenende mit dem auferstandenen Heiland auf dem Regenbogen in der Mitte, dem Thron des Weltenrichters vorne und dem Tor zur Ewigkeit hinten

Welfenmünster Steingaden
Der Name leitet sich von der Gründerpersönlichkeit ab, nämlich Herzog Welf VI., der hier 1147 das Prämonstratenserkloster Steingaden gründete. Die Kirche wurde 1147 - 1176 in romanischen Stil erbaut, 1470 - 1491 in spätgotischem und 1530 im Stil der Renaissance umgestaltet. Nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg wurde sie 1663 wiederaufgebaut, diesmal im beginnenden Barock und 1740 - 1750 wurde das Kirchenschiff im Rokokostil ausgestattet.
Interessanterweise ist von all diesen Stilarten das eine oder andere übriggeblieben. Die Romanik bestimmt noch heute die äußere Erscheinung der Kirche, während die Vorhalle aus der spätgotischen Zeit stammt. Das Chorgestühl von 1534 zeugt von der Renaissance-Periode, der Stuck im Chor und in den Seitenschiffen sowie der Hochaltar und die Seitenaltäre sind Frühbarock. Das Erscheinungsbild des Mittelschiffes dagegen stammt aus der letzten Bauperiode und ist in reichem Rokoko ausgestattet. Trotz der Mannigfaltigkeit der Kunstwerke aus verschiedenen Epochen, trotz der Verschiedenheit der Baustile zeigt sich die Kirche als einheitliches Gesamtkunstwerk.

Schloss Hohenschwangau
Die Burg Hohenschwangau wurde im 12. Jh. von den Rittern von Schwangau erbaut. Nach dem Aussterben der Linie im 16. Jh. verfiel die Burg und wurde in den napoleonischen Kriegen stark beschädigt. Kronprinz Maximilian, der spätere König Max II. kaufte und restaurierte die Burg 1832 bis 1836. Die heute noch vorhandenen Wandgemälde stammen z.T. von Moritz von Schwind. König Ludwig II., der hier einen großen Teil seiner Kindheit verbrachte, dürfte durch die Darstellungen stark in seinem Faible für germanische Sagen und das Rittertum beeinflusst worden sein.
Schloss Hohenschwangau, im Hintergrund der Alpsee Der Schwanenrittersaal (früher Speisezimmer) mit den Darstellungen aus der Schwanenrittersage (Lohengrin)
Das Berchta-Zimmer (Schreibzimmer der Königin Marie); die Wandmalereien sind Karl dem Großen und seiner Mutter Berchta gewidmet Im Authari-Zimmer ist die Brautwerbung des Langobardenkönigs Authari um die bayerische Prinzessin Theodolinde dargestellt

Schloss Neuschwanstein
Das "Märchenschloss" Neuschwanstein ist eines der Königsschlösser (und das wohl bekannteste), die der "Märchenkönig" Ludwig II. von Bayern erbauen ließ. Er hatte ja einen Teil seiner Kindheit im benachbarten Schloss Hohenschwangau verbracht und kannte und schätzte die Gegend. Als junger König faßte er 1868 den Entschluss, anstelle einer alten Burgruine bei der Pöllatschlucht eine Burg "im Style der alten deutschen Ritterburgen" erbauen zu lassen. Der König hatte sehr genaue Vorstellungen, wie seine Burg aussehen sollte und setzte diese auch durch und um. 1869 wurde unter Leitung des Hofbaumeisters Eduard von Riedel mit dem Bau begonnen, der Torbau war 1873, der Palas (Königsbau, Hauptgebäude) erst 1883 fertiggestellt. Im Frühjahr 1884 war auch die Königswohnung bezugsfertig und König Ludwig II. hat in den folgenden zwei Jahren bis zu seinem mysteriösen Tod häufig hier gewohnt. Nach seinem Tod wurden alle Bauarbeiten eingestellt. Die Kemenate wurde nachträglich 1890 in vereinfachter Form errichtet, der mit 90 m Höhe alles überragende geplante Bergfried wurde nicht mehr gebaut.
Schloss Neuschwanstein "im Style der alten deutschen Ritterburgen", wie vom König gewollt
Der Thronsaal (der Thron selbt wurde nach dem Tod des Königs nicht mehr hergestellt) gleicht in Form und Ausstattung einer byzantinischen Basilika, womit König Ludwig II. das Königtum von Gottes Gnaden , die religiöse Verbindung zwischen Gott und König versinnbildlichen wollt
Der Vorraum zur Königswohnung mit einem Kreuzrippengewölbe und Gemälden aus der Sigurd-SageDas königliche Arbeitszimmer ist in romanischem Stil gehalten; die Gemälde stellen Szenen aus der Thannhäuser-Sage dar
Das Schlafzimmer im spätgotischen Stil mit einer Fülle von prunkvollen Eichenholzschnitzereien; die Wandgemälde zeigen Szenen aus der Sage "Tristan und Isolde"Der Sängersaal, der im 4. OG die gesamte Fläche der Königswohnung im 3. OG überdeckt, ist nach dem Wunsche des Königs das eigentliche Zentrum des Schlosses; die Wandgemälde zeigen Ausschnitte aus der Parzifal-Sage

Schloss Linderhof
Aus einem kleinen Holzhäuschen mit wenigen einfachen Zimmern, das König Max, der Vater von Ludwig II., in den 1850er Jahren erworben hatte, wurde unter Ludwig II. in mehreren Umbau- und Erweiterungsphasen zwischen 1869 und 1886 das rund 5x so große prächtige Rokokoschloss Linderhof. 1869/70 ließ König Ludwig II. (fast zeitgleich mit dem Baubeginn von Neuschwanstein!) als erstes das Königshäuschen innen modernisieren und anschließend 1870/71 um einen Nordostflügel erweitern, der aber bereits 1871/72 wieder abgebrochen und durch einen größeren Erweiterungsbau ersetzt wurde. 1874 wurde der Altbestand (das Königshäuschen) abgebrochen, an dessen Stelle bis 1876 ein doppelt so großer Eingangstrakt errichtet und allseitig die bisherige Holz- durch eine Steinfassade ersetzt. Die dann 1885/1886 nochmals erfolgte Vergrößerung des Schlafzimmers erlebte der König freilich nicht mehr.
Vor der Hauptfassade des Schlosses, im Süden, ist in französischem Stil der Prunkgarten angelegt; das tiefer gelegte Wasserbecken zieren eine goldglänzende Figurengruppe und ein Springbrunnen (links); von dort führt ein Weg über geschwungene Treppen zu einem kleinen Monopteros, in dem sich eine Venusstatue befindet (rechts)
Das Arbeitszimmer (links); im Speisezimmer (rechts) ist der Esstisch als sog. "Tischlein-deck-dich" konstruiert, d.h. der gesamte Tisch konnte ein Stockwerk tiefer gefahren, dort gedeckt und dann wieder hoch gefahren werden; so konnte der menschenscheue König ohne die Anwesenheit von Bedienstetetn speisen
Das reich ausgestattete Schlafzimmer (links); Detail der prächtigen, mit Gold überzogenen Holzschnitzereien (rechts)
Auf der Nordseite führt eine von Hecken gesäumte Wassertreppe über 30 Stufen hin zum Schloss, wo sie unter dem Schlafzimmerfenster in einen Neptunbrunnen mündet
Schloss Linderhof ist von einem rund 50 Hektar großen Park umgeben, in dem sich mehrere keinere Bauwerke und Pavillons befinden, darunter die berühmte Grotte: In einer künstlichen Tropfsteinhöhle (aus Eisen- und Drahtgestellen, Leinwand, Zement und Gips) glitzert ein vielfarbig illuminierter, durch eine Wellenmaschine bewegter See, in dem sich König Ludwig II. in einem eigens dafür gebauten Boot in Muschelform gerne herumrudern ließ. DasVorbild für diese Grotte war einerseits eine Beschreibung in einer Szenenanweisung in Richard Wagners "Thannhäuser", andererseits aber die bekannte blaue Grotte von Capri. Ferner befinden sich im Park der Maurische Kiosk mit dem Pfauenthron, die Hundinghütte (nach einer Beschreibung in Wagners Walküre), die Einsiedelei des Gurnemanz (aus Wagners Oper Parzifal), das Morokkanische Haus und der Hubertuspavillon.